Vom Quarksteilchen bis Amy Winehouse: Der 1. Wissenschaftstag an der Karl-Rehbein-Schule
Was haben der Popstar Amy Winehouse und Gehirnforschung gemeinsam? Eine ganze Menge, folgt man jedenfalls dem Vortrag der beiden Professoren Theo Dingermann und Dieter Steinhilber der Goethe-Universität Frankfurt. „Amy Winehouse – wenn Alkohol zum tödlichen Problem wird“, so der Titel der Eröffnungsveranstaltung des nun stattgefundenen 1. Wissenschaftstages an der Karl-Rehbein-Schule Hanau, zeigt sehr eindrucksvoll, wie man hochwissenschaftliche Themen sehr anschaulich und griffig an die Schüler bringen kann. „Schüler sind die Kunden von Morgen“, stellt KRS-Direktor Jürgen Scheuermann während seiner Begrüßung des Professorenteams der Goethe-Uni fest und fordert die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe zugleich auf, die seltene Gelegenheit zu nutzen, sich Einblicke in wissenschaftliche Themen aus profundem Munde zu verschaffen.
Ermöglicht wird dieser Wissenschaftstag durch die Unterstützung der gemeinnützigen Hertie-Stiftung in Verbindung mit dem Projekt „Brückenschlagen“ der Goethe-Universität Frankfurt. Das Projekt soll das naturwissenschaftliche Interesse der Schüler wecken und fördern. Dazu hatte die KRS schon im vergangenen Jahr eine Kooperation mit der Goethe-Uni abgeschlossen. Am 1. Wissenschaftstag gibt es also neben dem Eröffnungsvortrag für die KRS-Schüler insgesamt vier weitere Vorträge zur Wahl aus den Bereichen Hirnforschung, Physik, Friedens- und Konfliktforschung und der Virologie. Ein Workshop zu dem jeweils besuchten Vortragsthema rundet den Wissenschaftstag ab.
Die beiden Professoren Theo Dingermann und Dieter Steinhilber fackeln auch nicht lange und gehen gleich in die Vollen: Das kurze Leben von Amy Winehouse, eine der am Rock-Pop-Himmel vielversprechendsten Gesangskoryphäen der letzten Jahre, war geprägt von Alkoholexzessen und Drogenkonsum. Die britische Soulsängerin und Songwriterin feierte ihren internationalen Durchbruch 2008 mit dem 2006 produzierten Album „Back to Black“. Ihre Musik, die sich zwischen Jazz, Pop, Soul, Reggae und der amerikanischen Musik der sechziger Jahre bewegt, bescherte der exzentrischen Künstlerin einen kometenhaften Aufstieg. Winehouse verkaufte in ihrer kurzen Karriere von nur acht Jahren über 25 Millionen Tonträger und wurde unter anderem mit sechs Grammys ausgezeichnet. Das Alkoholproblem indessen sollte im Juli 2011 zu ihrem Tod führen – ein tragisches Ende für die erst 27-Jährige Britin, deren Wunsch es immer war, eine „berühmte Sängerin“ zu werden.
Was das alles mit Gehirnforschung zu tun hat, darüber klären Theo Dingermann und Dieter Steinhilber die interessiert lauschenden KRS-Schüler auf. „Unser Gehirn hat keine Löschtaste“. Dieser Kernsatz beschreibt das Problem, was übermäßiger Alkohol- und Drogenkonsum mit dem menschlichen Gehirn anstellt. Winehouse eckte mit ihrem ambivalenten Charakter überall nur an, musste die Trennung ihrer Eltern verkraften, musste fünfmal die Schule wechseln und wollte zeitlebens eigentlich nur eines: Die Welt mit ihrer Stimme beglücken. Doch die Angst davor zu versagen und vor allem die fast schon manische Angst, sich auf der Bühne zu präsentieren, trieb sie mehr und mehr in den Alkohol und obendrein noch dem Konsum von harten Drogen.
Wie kommt es dazu und was passiert da eigentlich im menschlichen Gehirn? Dingermann gelingt es sehr anschaulich, den Rehbeinern das bio-chemische Spiel zwischen Synapsen, Neuronen und Dopamin und somit das „chemische Paradigma der Lust“ zu erläutern. „Alkohol beruhigt, er fährt uns runter und sorgt für kurzfristiges Wohlempfinden. Unser Gehirn verbindet das dann mit dem Weinglas, der Flasche – den Reizen, die für das Wohlempfinden verantwortlich sind“, so der Professor. Unser Gehirn gewöhnt sich rasch an das daraus resultierende Belohnungssystem und will immer öfter und mehr davon. Der Weg in die Sucht ist damit bereitet, denn das Gehirn wird so dauerhaft umprogrammiert. „Die Sucht ist ein Lernprozess, begleitet mit Reizen von außen“. Somit ist Alkoholismus als eine schwere Erkrankung anzusehen. Das gleiche Schicksal erlitt wohl Amy Winehouse, die neben den schon genannten Problemen dann auch noch mit ihrem Freund und späteren Ehemann Blake Fielder-Civil einen Partner fand, der der Sängerin keinesfalls gut tat. „Der Ruhm und das viele Geld waren zusätzliches Gift für Amy“, so Steinhilber. In ihrem Song „Rehab“ besingt sie auch ganz offen ihre Alkoholsucht und ihre Ablehnung, sich einer oft geforderten Entziehungskur zu unterziehen.
In Deutschland seien im Jahr 2012 laut einer Studie rund 1,7 Millionen Menschen an Alkoholismus erkrankt. Während die Preise für alkoholische Getränke um 30 Prozent gesunken seien, so verschlinge die Behandlung von Alkoholismus über 26 Milliarden Euro. Nach der ersten Beratung folgt eine Behandlung, die für den Patienten äußerst hart sei. Danach muss der Patient zur Nachsorge, etwa in Selbsthilfegruppen wie den „Anonymen Alkoholikern“. Nach der Entgiftung, so der Hirnforscher, gehen die Qualen zwar vorbei, aber die Programmierung des Gehirns bleibe zeitlebens bestehen. „Der Mensch muss in diesem Fall lernen, das Gelernte zu übermalen. Denn die erlernten Reflexe bleiben bestehen“, so Dingermann weiter. Amy Winehouse hat es nicht geschafft. Sie starb mit 4,16 Promille an einer Alkoholvergiftung.
Der KRS-Wissenschaftstag hatte aber noch weitaus mehr zu bieten. So gab es aus vier weiteren Bereichen der Forschung spannende und informative Vorträge. In die sich die KRS-Schüler je nach Interessenslage einwählen konnten. Vera Rogova vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, hielt einen sehr lebendigen Vortrag mit dem Thema „Wieder Russland in den Nachrichten? Außenpolitik unter Putin und die Krise der russisch-westlichen Beziehungen“, in dem sie den Verlauf eben dieser Beziehungen historisch herleitete und darstellte. Danach sollten die Schüler in Kleingruppen mögliche Lösungswege für die bestehenden internationalen Spannungen finden, welche dann kritisch von den Teilnehmern diskutiert wurden. Abschließend gab Rogova den Schülern noch einen Einblick in den Ablauf und die Zukunftschancen eines geisteswissenschaftlichen Studiums.
Der Virologe Professor Dr. Martin Stürmer, Privatdozent, Laborleiter des IMD Labors mit Sitz in Frankfurt gab einen umfassenden Einblick zum Thema HIV und AIDS und ging dabei den Fragen nach, ob es einen passenden Impfstoff geben kann und welche neue Therapiemöglichkeiten es gibt. Aktuell laufen viele Studien, auf deren Ergebnisse, die in naher Zukunft veröffentlicht werden, man sehr gespannt ist. Leider ist eine Heilung bisher nicht wirklich möglich, daher sensibilisierte er die Schüler, die an diesem Tag stets im Dialog mit dem Referenten standen, dass der beste und einzige Schutz die Prävention sei. Neben dem fachlichen Teil gab er den Schülern auch einen Einblick in seinen beruflichen Werdegang.
In einem weiteren Vortrag schlug Prof. Dr. Schaffner-Bielich unter dem Titel „Neutronensterne und Quarks“ einen großen Bogen über unvorstellbare Größenverhältnisse hinweg, von den Neutronensternen aus den Tiefen des Weltalls zu den Quarks im Innersten der Atomkerne. Entstanden aus einer Supernova enthält ein solcher Neutronenstern Materie bis zum Achtfachen der Masse unserer Sonne, allerdings zusammengepresst auf eine Kugel von weniger als 20 Kilometer. Kein Wunder, dass dieses exotische Objekt höchst ungewöhnliche Eigenschaften besitzt. Den im Inneren des Neutronensterns vermuteten Quarkteilchen-Plasma versucht man auf der Erde in großen Beschleunigern wie dem CERN in Genf oder der GSI in Darmstadt durch hochenergetische Kollisionen von Teilchen auf die Spur zu kommen. Kreisen zwei Neutronensterne umeinander, können sogar die erst im vergangenen Jahr entdeckten Gravitationswellen entstehen.
An den spannenden Vortrag schloss sich ein astrophysikalischer Workshop mit weiteren faszinierenden Inhalten an. Darin nutzten die Schüler auch intensiv die Gelegenheit zu einem Gespräch über das Studium der Physik und entsprechende berufliche Perspektiven.
Der Hirnforscher Professor Dr. Leo Peichl führte die Schüler in die Tiefen der Augen, genauer der Netzhaut bei Säugetieren. Am Ende des Vortrags wurde deutlich, dass die allermeisten Säugetier nur zwei Zapfentypen in ihrer Netzhaut besitzen, die Wahrnehmung der Rottöne ist ihnen damit nicht möglich. Der Mensch, wie alle Primaten, hat jedoch in seiner phylogenetischen Entwicklung einen weiteren Zapfentyp entwickelt, der es ihm erlaubt rote Lichtqualitäten wahrzunehmen. So kann ein Stier die rote Farbe der Muleta überhaupt nicht wahrnehmen, ihn reizt lediglich die Bewegung und Jäger sollten während der Jagd rote Schutzkleidung tragen, der Schütze kann diese als Signalfarbe erkennen, das Wild hingegen nicht.
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