„Gestatten – Pannecke“: Die Erdlinge, Pannecke, Steppke, Lämmermeier und Frau Pusebach, werden nach ihrer Ankunft auf dem Mond dem erstaunten Haushofmeister Theophil (links) und Stella, Zofe von Frau Luna (rechts) vorgeführt. Foto: KRS/Pick
Der Mond. Er war und ist seit jeher Sehnsuchtsort und Projektionsfläche für die Erfüllung allerlei Wünsche, die hier auf Erden nicht so leicht zu erreichen sind. Und es soll Leute geben, die noch immer nach dem berühmten „Mann im Mond“ suchen. So auch ein physikaffiner Berliner namens Fritz Steppke. Zusammen mit seinen Freunden, dem Schneider Lämmermeier und Pannecke, fliegt er in einer selbst gebastelten Rakete auf den Mond. Unfreiwillig ist auch seine Vermieterin Frau Pusebach mitgeflogen. Kaum angekommen auf dem Erdtrabanten, stiften die vier Erdlinge reichlich Verwirrung unter den Mondbewohnern. Erstaunt stellen sie fest, dass es den Mann im Mond gar nicht gibt. Stattdessen schwingt die verführerische Göttin des Mondes, Frau Luna in ausgelassener Feierlaune das Zepter, die sich zudem ein Tête-à-Tête mit „Fritzi“, dem Raketenpilot, vorstellen kann.
In der Aufführung der burlesk-phantastischen Kostümoperette „Frau Luna“ der Karl-Rehbein-Schule (KRS) im Congress Park Hanau an insgesamt vier Abenden wird gewalzert, gegassenhauert und marschiert, was das Zeugs hält. Uraufgeführt wurde das von Paul Lincke komponierte Stück 1899. Es sollte als Paradebeispiel der Berliner Operette in die Geschichte eingehen. KRS-Regisseur Frank Hagelstange (Inszenierung) hat die alt-ehrwürdigen Hits wie „Schenk‘ mir doch ein kleines bisschen Liebe“, „Schlösser, die im Monde liegen“ oder „Das macht die Berliner Luft“ dabei in eine sehr launige Textfassung mit sehr viel Wortwitz und vielen Wortspielen eingebettet. Neben all den zwischen-menschlichen, pardon, zwischenlunaren Irrungen und Wirrungen finden auch Avatare, Captain James T. Kirk und sonstige Science-Fiction-Helden ihren Platz auf der phantastisch ausstaffierten und ausgeleuchteten CPH-Bühne.
Aber beileibe nicht nur über die äußerst stimmigen Licht- und Bühneneffekte darf man sich verwundert die Augen reiben. In unzähligen Stunden wurden von den Mitwirkenden höchstselbst zig Requisiten gebastelt und prachtvolle wie farbenfrohe Kostüme (Mechthild Hagelstange und Ines Reul) genäht und verfeinert – ein wahres Feuerwerk für das Auge. Das setzt sich in der musikalischen Umsetzung fort. Unter der Berücksichtigung, dass man eine Schulaufführung geboten bekommt, muss man den Hut vor den Leistungen der KRS-Chöre, dem KRS-Sinfonieorchester und allen voran den Solisten ziehen. Und hier zahlt sich einmal mehr die Kooperation mit der Paul-Hindemith-Musikschule Hanau (PHM) richtig aus, haben sich dort neben zahlreichen Instrumentalisten auch eine Vielzahl an Solistinnen und Solisten speziell für ihre jeweiligen Operetten-Rollen ausbilden lassen. So mag auch die durch die Coronapandemie bedingte Aufführungsverzögerung von satten zwei Jahren als weiteren positiven Nebeneffekt eine künstlerische Reife mit sich gebracht haben. Und selbst in dieser Zwangspause ist man nicht untätig geblieben, wurden einzelne Stücke und Szenen, wenn es sein musste, bei klirrender Kälte auf dem Schulhof geprobt.
Zur darstellerischen und gesanglichen Höchstform läuft so ausnahmslos die gesamte Solistenriege auf. Was Lara Matz und Josephine Oeß, abwechselnd in der Rolle als „Frau Luna“, Philipp Schmidt als „Theophil“, Sylvia Kliem-Heinz als „Frau Pusebach“, Emil Lang als „Lämmermeier“, Faris Dragusha als „Fritz Steppke“, Mara Spatola als Lunas Zofe „Stella“, Kimberley Hoffmann und Marlene Krieg abwechselnd als „Prinz Sternschnuppe“, Lea Pinecker und Kiara Hecktor abwechselnd als „Marie“, Emilia Bolz als „Venus“, der „älteste“ KRS-Schüler Holger Metschan als „Pannecke“ sowie Liv Schröder und Annika Tetens als „Mondgroome“ mit Können und Herzblut auf der Bühne abliefern, verdient größte Anerkennung. Jedes Detail wird ausgekostet dargebracht, so dass sich die Solistinnen und Solisten zum Teil selbst übertreffen. Was für ein herrlicher Spaß, wenn Frau Pusebach Zeter und Mordio schreiend an der startenden Mondrakete hängt oder wenn sich Theophil und Lämmermeier keifernd um die Gunst einer Angebeteten in die Haare bekommen. Da rollt das „Galaxiomobil“ – eine mit Sternattrappen verkleidete Schubkarre – mitsamt dem Prinzen Sternschnuppe an Bord über die Bühne. Die große Authentizität, mit der die jungen Solistinnen und Solisten ihre Rollen ausfüllen, eingebettet in witzige Regieeinfälle, erstaunt immer wieder auf Neue. À propos Regie: Der Regisseur Frank Hagelstange höchstselbst lässt es sich freilich nicht nehmen, als liebestoller Mars „seine“ Venus und Co. ordentlich, aber doch vergebens, aufzumischen.
Ein großes Sonderlob muss unbedingt den jungen Musikerinnen und Musikern im Orchestergraben gezollt werden, verrichten sie regelrechte Schwerstarbeit an ihren Instrumenten. Stets mit sicherer aber auch fordernder Hand von Petra Weiß (musikalische Gesamtleitung) umsichtig geleitet, bilden sie ein souveränes Klang-Fundament für die Akteure auf der Bühne in einer stimmigen Qualität, die man so nicht unbedingt erwartet. In der Intonation sehr sauber wechseln samtige Streicherklänge mit teils etwas zu vorwitzigem forschem Blech und Schlagwerk. Das KRS-Blasorchester unter Leitung des „Engels“ Jens Weismantel muss durch den Saal einmarschieren und sich an den Saal-Wänden ausbreiten – eine aus der Platz-Not geborene, aber jedoch pfiffige Lösung, die nicht ihre Wirkung verfehlt. Und während Steppke mit seinen Freunden die Mondrakete besteigt, intoniert die KRS-Big-Band unter Stefan Glück ein fröhlich-swingendes „Fly me to the moon“, das sich gut in den Gesamtkontext einfügen kann. In jeder Hinsicht prächtig anzuschauen der große KRS-Chor, der ein wenig an Wortverständnis vermissen lässt, muss er meist im hinteren Teil der Bühne die Mondlampen schwenken. Auch die „Mondelfen“ aus den Klassen fünf und sechs sowie die „Sternenmädchen“ der Klasse sieben bereichern perfekt in wunderschön anzuschauenden Kostümen gekleidet sowohl stimmlich als auch mit stimmigen Tanzszenen die Aufführung – einstudiert von Sophia Schüller. Was aber wäre eine Operette ohne flotte Choreographien und Tanzszenen: Dafür sorgen unter anderem die „Mondpolizei“ und das „Sternzeichenballett“ unter der Regie der ehemaligen KRS-Schülerin Giuliana Klaus.
Sehr lange haben die Bühnenakteure auf diese Aufführung hin gefiebert, haben sich in Geduld üben müssen, sogar eine Komplettabsage stand im Raum. Nun aber ist der Traum vom irrwitzigen Flug auf den Mond, der über drei Stunden mit viel Witz, Ironie, Phantastik, eingekleidet in einer opulenten Ausstattung und einer Vielzahl an Operettenschlagern bestens unterhalten kann, doch noch wahr geworden. „Ich bin mir sicher, dass ich die Erinnerungen an Frau Luna noch lange nach meiner Schulzeit in mir tragen werde“, beschreibt Mara Spatola (Stella) wohl stellvertretend für alle Schülerinnen und Schüler das Gefühl, in einer unglaublich fulminanten Gemeinschaftsleistung die Bühne des CPH „gerockt“ zu haben. Chapeau. (Für Kurzentschlossene: Für den Montag und Dienstag gibt es noch Karten an der Abendkasse).
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