Macht sich für das Recyceln von Rohstoffen stark: Professor Gerhard Sextl vom Fraunhofer-Institut sensibilisierte die Oberstufenschüler der Karl-Rehbein-Schule Hanau zum verantwortungsvollen Umgang mit elektronischen Alt-Geräten wie ausrangierten Handys.
Rohstoff-Kolloquium mit Professor Sextl vom Fraunhofer-Institut an der Karl-Rehbein-Schule.
Im Rahmen der Kolloquiumsreihe der Karl-Rehbein-Schule Hanau (KRS) referierte nun Professor Dr. Gerhard Sextl vom Fraunhofer-Institut in Hanau-Wolfgang für Silicatforschung über das Thema „Ressourcen Sichern – Wertstoffkreisläufe schließen“. Zu diesem Vortrag – es war der nunmehr 18. seit Beginn dieser Veranstaltungsreihe im Jahre 2001 – , hatten sich zahlreiche interessierte Oberstufenschülern der Leistungs- und Grundkurse in Physik, Chemie und auch Biologie eingefunden. Das, was sie zu hören bekamen, hatte es wirklich in sich.
Sextl nahm den sich immer mehr beschleunigenden Rohstoffhunger des Menschheit in den Fokus: „Im Jahr 1980 waren in den alten Telefonen mit Wählscheibe zwölf chemische Elemente enthalten, heute sind es in einem modernen Smartphone über 60“, machte der Professor deutlich, „also nahezu alle Stoffe außer giftigen und radioaktiven Elemente“. Besondere Bedeutung komme den „Seltenen Erden“ zu, die in Handys, Batterien und Akkus und auch Hochleistungsmagneten verbaut sind. „Eine moderne Windkraftanlage enthält drei Tonnen Neodym-Eisen-Bor-Magnete mit höchster Energiedichte und damit allein 600 Kilogramm des zu den seltenen Erden zählenden Elements Neodym. Diese Permanentmagnete stammen zu 98 Prozent aus China“, referiert Sextl.
Vor einigen Jahren habe China am Beispiel des Elements Dysbrosium, das ebenfalls bei diesen Magneten verwandt werde, getestet, welchen Preis der Markt hergebe: das unersetzliche Dysbrosium stieg in kurzer Zeit im Preis von 100 auf 3000 Dollar pro Kilogramm. „Allein die gerade erst in Fahrt kommende Elektromobilität wird bis zum Jahr 2030 den Bedarf an diesen Magneten verdoppeln“, mahnt der Forscher. Doch nicht der Verbrauch allein, sondern auch die Gewinnung und Verarbeitung dieser Stoffe müsse viel mehr in den Blick genommen werden. Zur Herstellung eines (heute schon technisch überholten) 17-Zoll-Bildschirms seien 240 Kilogramm fossile Brennstoffe, 22 Kilogramm Chemikalien und 1,5 Tonnen Wasser benötigt worden. Und er rief dazu auf, die Probleme global in den Blick zu nehmen. Alleine die russische Stadt Norilsk sei einer der am meisten verschmutzten Orte der Erde, weil dort das Platin gewonnen werde, das hierzulande zur Luftreinhaltung mittels Autokatalysatoren beitrage.
Den KRS-Schülern wurde drastisch vor Augen geführt, dass viele Stoffe, die heute in immer rasanter steigenden Mengen verbraucht werden, in absehbarer Zeit zur Neige gehen werden: „Die Reserven von Silber und Gold, Zink und Zinn werden in rund 20 Jahren, die von Kupfer in 35 Jahren erschöpft sein – da sind Sie im besten Erwachsenenalter“, ruft der Professor im Schlossgartensaal. Auch die Vorräte beim Phosphat, dringend benötigt bei der Herstellung von Düngern zur Nahrungsmittelproduktion der rasant ansteigenden Bevölkerungszahl und selbst der Sand werde knapp: über drei Milliarden Tonnen davon würden jährlich in Gebäuden verbaut, mittelweile zöge man Meeressand dazu heran, da Wüstensand aus chemischen Gründen nicht verwendbar sei.
Doch Sextl zeigte auch Auswege aus diesem Teufelskreislauf auf: „Wir müssen weg vom Verbrauch hin zum Gebrauch von Ressourcen. Wir dürfen die teuer eingekauften Chemikalien nicht über den Abfall gedankenlos in der Umwelt verstreuen (Dissipation), sondern müssen sie in Deutschland behalten und recyclen“. Ein ausrangiertes Handy enthalte 24 Milligramm Gold, 25 Milligramm Silber und neun Milligramm Kupfer und sei daher nicht Abfall, sondern Rohstoffquelle für die nächste Generation technischer Geräte: „50 Handys enthalten so viel Gold wie eine Tonne heute aus der Erde heraus gebaggertes Erz“. Dabei sei es sinnlos, die verbauten Stoffe zum Beispiel durch Schreddern wieder in die einzelnen Elemente zu zerlegen: „Viel hilfreicher ist es, zum Beispiel durch elektrohydraulische Zerkleinerung Zwischenprodukte wiederzugewinnen, die weiterverwandt werden können“.
Die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS, die Professor Sextl leitet, hat beispielsweise für diese neue Art, Handys durch Schockwellen in Wasser in die Komponenten zu zerlegen – und dies ganz ohne Einsatz von Chemikalien – 2016 den Bayerischen Umweltpreis erhalten. Die IWKS, die sich neben der Rückgewinnung von Sekundärwerkstoffen auch der Substitution chemischer Stoffe verschrieben hat, freut sich bereits auf die für 2018 vorgesehene Fertigstellung des Neubau Ihres „Science Parks Hanau“ im Industriepark Wolfgang, neben Alzenau dem zweiten Standort in der Region.
In der engagierten Diskussion nach dem Vortrag von Sextl interessierten sich die Oberstufenschüler unter anderem über die mit der Elektromobilität verbundenen Probleme. Auch hier gab Sextl wertvolle Denkanstöße: warum man etwa neu Stromtrassen nicht entlang der Autobahnen führe, da hier doch die Ladestationen der Zukunft benötigt würden. Und – hier schloss sich der Kreis zum Vortragstitel „Wertstoffkreisläufe schließen“ – warum man Handys, Unterhaltungselektronik, Autos und andere Produkte nicht lease statt kaufe, weil dann die Geräte am Ende der Mietzeit nicht irgendwo auf dem Abfall landeten, sondern konzentriert beim Händler dem Recyclingweg zugeführt werden könnten. Die Zuhörer ließen ihre interessanten Gespräche bei Getränken und einem kleinen Imbiss, den der Verein der Freunde organisiert hatte, ausklingen.
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