Die Hölle von Verdun: Ein Vortrag von Oberstleutnant Dr. Kloppert in der Mensa der KRS
,,Diese Schule hat Tradition, so auch die Fahrt der Qualifikationsphase (Q2) nach Verdun, die alljährlich stattfindet“, so begrüßte KRS-Direktor Jürgen Scheuermann an der nachmittäglichen Veranstaltung in der Mensa der Karl-Rehbein-Schule am 30.06.2016, hundert Jahre nach dem Kriegsjahr 1916, den Referenten Oberstleutnant Dr. Kloppert, die LehrerInnen und SchülerInnen. Der Offizier vom Zentrum für Innerer Führung der Bundeswehr aus Koblenz, der auf Vermittlung von Geschichtslehrer Lars Pätzold an die KRS kam, schilderte während des Vortrags anschaulich die Geschehnisse von Verdun in eben diesem Jahr 1916, und vermittelte so auf interessante Weise mit Hilfe einiger Zeugenberichte die historischen Grundlagen für die Fahrt nach Verdun, bei der die SchülerInnen die Möglichkeit haben, mit eigenen Augen das Schlachtfeld zu erfahren und die Ereignisse zu rekapitulieren.
Zur Einführung erklärte Herr Dr. Kloppert die Umstände, die zum Ersten Weltkrieg führten, so die Ermordung des österreichischen Thronfolgerehepaars in Sarajevo am 28.06.1914 durch serbische Attentäter, die zur sogenannten Julikrise führte. Während dieser stellte Österreich ein Ultimatum an Serbien aus, das teilweise angenommen wurde, was der österreichischen Regierung jedoch nicht genügte, weshalb sie Serbien den Krieg erklärte. Da das Deutsche Reich dem Kaiser- und Königreich Österreich-Ungarn unbedingte Unterstützung zusicherte, kam es zu mehreren Kriegserklärungen, wie an Russland und Frankreich und aufgrund des Einmarschs der deutschen Truppen in Belgien erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg, sodass sich nun ganz Europa im Krieg befand. Bald kämpfte man auch überall auf der Welt, allerdings waren die Fronten ab Mitte Oktober völlig erstarrt; es herrschte kein Bewegungskrieg mehr, sondern ein Stellungskrieg. Alle Mächte versuchten während des Krieges diese Stellungen zu lösen und der erste Versuch des Deutschen Reiches war die Schlacht von Verdun 1916.
Wie Oberstleutnant Dr. Kloppert nun schilderte, war zu diesem Zeitpunkt General Erich von Falkenhayn der Chef des Generalstabes und dieser wollte die totale Niederwerfung des französischen Heeres erreichen, indem der strategisch wichtigste Punkt, nämlich Verdun, angegriffen wird. Aber für diese militärische Aktion war nicht genügend Heereskraft vorhanden. Trotzdem schlug er Ende November dem Oberbefehlshaber (der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen) eine Offensive gegen Frankreich mit dessen fünfter Armee vor, die am Geburtstag des Kronprinzen offiziell befohlen wurde.
Wie sah Verdun zu dieser Zeit aus? Es war so, dass Verdun nicht nur eine Festung war, sondern eine befestigte Region, deren Herz das Dorf Verdun selbst darstellte. Das Dorf umgab in einiger Entfernung ein Ring aus Forts und dieser Ring wurde ebenfalls durch einen weiteren Kreis aus ca. 20 Forts geschützt. Dahinter verlief eine etwa sieben Kilometer tiefe Verteidigungslinie mit vielen Gräben, zudem teilte die Maas diese Region in ein linkes und rechts Ufer. Es war also keine einfache Angelegenheit, diesen Stützpunkt erobern zu wollen.
Der General von Falkenhayn bekam vier Militärkorps zusätzlich zur Verfügung gestellt, um die Offensive durchzuführen. Das Ziel war es, einen Durchbruch zu schaffen, die französische Armee zu schwächen und Großbritannien zu einem Entlastungangriff zu bewegen. Bis Februar 1916 wurden mehr als zwei Millionen Handgranaten und Flammenwerfer in die Verdun-Region transportiert. Der Angriff sollte am 12. Februar erfolgen, jedoch gab es an diesem Tag starke Stürme, sodass eine Unterstützung durch die Artillerie nicht möglich war und der ,,Innere Dienst“ ausgerufen werden musste, d.h. die Offensive wurde verschoben und die Männer mussten bei Nässe, Kälte, unzureichender Verpflegung und Krankheiten in den Schützengräben ausharren. Einige Tage lang konnte der Angriff aufgrund des Wetters nicht ausgeführt werden, dann jedoch am Morgen des 21.02.1916 erfolgte der Feuerbefehl. Nach einem neunstündigen Artillerie-,,Feuerzauber“ , wie Dr. Kloppert erklärte, sollte die erste Feldstellung erobert werden. Der gleiche Tagesablauf folgte in den nächsten fünf Tagen, es sei ein sehr ,,mühsames Ringen um jeden Meter Boden“ gewesen.
Am 25. Februar erkämpften die deutschen Soldaten dann das Fort Douaumont. Es gab bereits viele Verluste zu beklagen und dass nach den Kämpfen am 4. März nur noch Spuren und Umrisse des Forts übriggeblieben sind, zeigt ebenfalls die Grausamkeit der Kriegshandlungen. Dr. Kloppert veranschaulichte diese Situation, indem er Bilder von eben diesen Spuren zeigte, man hat deutlich gesehen, dass von dem Fort wirklich nichts mehr stand. Obwohl es so viele Verluste zu vermerken gab, schickte General Falkenhayn keine Reservetruppen, denn er wartete vergeblich auf den Entlastungangriff Großbritanniens.
Auf französischer Seite führte der Überraschungsangriff zu einer Krise, der Befehlshaber wollte zunächst das rechte Maasufer räumen, bekam aber dann den Befehl, diese mit allen Mitteln zu verteidigen. Es wurde der General Petin eingesetzt, welcher die Krise in den Griff bekam. Am 4. März gelangte das Dorf Douaumont ,wie schon erwähnt, in deutsche Hände und viele französische Soldaten gerieten in Gefangenschaft, unter ihnen auch Charles de Gaulle. Im weiteren Verlauf zitierte der Oberstleutnant den Brief eines deutschen Offiziers an seine Eltern, den er schrieb, als die deutschen Truppen die Höhen um den ,,Toten Mann“ angreifen sollten:,, Meine Lieben, als ich dies alles sah, schloss ich mit meinem Leben ab. (…) Einen Weg gibt es nicht, nur Löcher, Trichter (…) und Leichen. (…) Ein grausiges Schlachtfeld, wir waren unfähig, irgendwie zu denken.“ Es gab kein Wasser mehr, teilweise waren die Soldaten dazu gezwungen, das Lehmwasser aus dem Graben zu trinken und es gab sehr große Verluste.
Wie Dr. Kloppert schilderte, sah es auf französischer Seite anders aus, über die ,,Heilige Straße“ (Bar-le-Duc) wurde den Soldaten Verpflegung und Waffen gebracht, sodass sie dem deutschen Heer bald überlegen waren, auch in der Luft.
Vergeblich wartete das deutsche Militär auf den Angriff der Briten, der entlasten sollte, stattdessen griffen nur Italien und Russland an. Ein Angriff des deutschen Heers auf ein neues Fort wurde zu einem Sieg überinterpretiert, in Wirklichkeit war dieser jedoch gescheitert, was dazu führte, dass der Kronprinz am 13.Mai befahl, das östliche Maasufer zu beruhigen.
Da Frankreich das Fort Douaumont wieder zurückerobern wollte, wurde der General Petin durch den sogenannten ,,Menschenfresser“ , wie der Historikeroffizier verriet, den General Charles Mangin, ersetzt. Am 1. Juni begannen neuerliche Angriffe der deutschen Armee auf das Fort Vaux, welche den größten Flammenwerfer-Angriff der Schlacht darstellten. Es sei ,,die Hölle von Verdun in schwerster Steigerung“ gewesen, schrieb ein deutscher Offizier. ,,Ich erkannte meine Leute nicht wieder, alles tot, (…) keine Soldaten, das war für Menschen zu viel“. Der eigentliche Angriff dauerte drei Tage, bis das Forts Vaux am 7. Juni kapitulierte. Im Kapitulationsbrief wünschte der Befehlshaber des Forts ausdrücklich die gute Behandlung der Kriegsgefangenen, die dem internationalen Völkerrecht entspricht. Dies wurde von Herrn Kloppert kritisiert, denn für die deutschen Befehlshaber sei eine gute Behandlung der Kriegsgefangenen etwas Selbstverständliches gewesen. Was die Deutschen nicht wussten, war, dass die deutschen Kriegsgefangenen bei den Franzosen systematisch ausgeplündert wurden und nicht einmal ihre Eheringe behalten durften, was gegen das erwartete Völkerrecht verstieß.
Erst am 23. Juni erfolgte der letzte große Angriff von deutscher Seite, der auch mit dem größten Erfolg nach einem 12-stündigen Artilleriefeuer und dem Einsatz von Diphosgen (eine giftige Verbindung, die im Ersten Weltkrieg zum ersten Mal als Lungenkampfstoff eingesetzt wurde) beendet wurde. Verdun war nun nur noch zwei Kilometer entfernt, allerdings ging das deutsche Militär nach diesem Angriff in eine strikte Defensivphase über, sodass es ständige Gegenangriffe von französischer Seite zu verteidigen gab, wie der Referent deutlich machte. Die Länder haben nun gewissermaßen die Seiten getauscht: Frankreich agierte aktiv, das Deutsche Reich reagierte defensiv.
Am 29. August wurde der General Falkenhayn von Verdun abgezogen, neue Befehlshaber waren die Generäle Hindenburg und Ludendorff, sie setzten sich dafür ein, den ,,Angriff auf Verdun einzustellen und die gewonnene Linie als Dauerstellung auszubauen“. Ein Grund dafür war, dass eine gesicherte Versorgung der Soldaten immer noch nicht möglich war. Denn die Verpflegung musste von bestimmten Trägertrupps durch eine kilometerweite Zone, die mit Trichtern und Gräben durchzogen war, zu den Soldaten gebracht werden, und, wie Oberstleutnant Dr. Kloppert auch anhand einiger Fotos zeigte, es überlebten meist nicht viele aus dem Trägertrupp.
Nach weiteren Angriffen der französischen Armee, unter anderem auf die Forts Douaumont und Vaux, um sie zurückzugewinnen, sollten die Kämpfe nach dem 15. Dezember 1916, nach ca. einem Jahr, eingestellt werden.
Dr. Kloppert resümierte, dass es letztlich schwere Verluste auf beiden Seiten gab und die deutsche Heeresführung ihr Ziel, eine Entscheidung des Krieges, nicht erreicht hatte. Um diese Niederlage zu rechtfertigen, schob Falkenhayn im Nachhinein die Erklärung nach, dass die Schlacht von Verdun nur dazu gedacht war, die französische Armee zu schwächen, was ja auch gelungen war.
Am Ende der Veranstaltung wurde der Vortrag durch einige interessierte Fragen von Seitens der SchülerInnen ergänzt und Frau Fritsch überreichte zusammen mit Herrn Pätzold eine Miniaturpickelhaube aus Verdun an Herrn Oberstleuntnat Dr. Kloppert als Dankeschön für diesen interessanten und zugleich lehrreichen Vortrag.
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